Montag, 12. Juni 2017

Meinem Kopass hinterher...

...bin ich gegangen und er hat mich einmal übers Meer, ans andere Ende der Welt geschickt. Nun bin ich wieder zu Hause, mein Kompass zeigt Richtung Zukunft. Afrika liegt jetzt wieder tausende Kilometer von mir entfernt, und somit endet nun auch mein Blog. Was ich im allerletzten Blogpost noch los werden wollte, werde ich jetzt hoffentlich irgendwie aufs Papier bringen:


„Du kannst Afrika verlassen, aber Afrika wird dich niemals verlassen“. Dieser Satz begegnete mir vor einiger Zeit und ich fand ihn irgendwie passend, um meine aktuelle Lage in Worte zu fassen. Fast einen Monat bin ich nun schon wieder zu Hause in Deutschland und ich habe mich an mein „normales“ Leben erstaunlich schnell gewöhnt: Ich dusche mit heißem Wasser, ich lackiere mir meine Fingernägel, ich gehe in den Supermarkt, ich habe immer und überall Elektrizität und Internet, ich frühstücke mit meiner Familie, bin mit meinen Freunden unterwegs. Eigentlich ist alles so, wie es immer gewesen war. Ich bin wieder zu Hause.

Ich habe Afrika verlassen.

Und trotzdem: Afrika hat mich nicht los gelassen und wird es auch nie tun, da bin ich mir ziemlich sicher. Denn egal ob ich heißes und sauberes Wasser benutze, mir den Lieblingsnagellack heraussuche, mir im Supermarkt kaufe worauf ich gerade Lust habe oder mir mit der Kaffeemaschine einen Latte Macciato mache: Ich weiß, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Einige Leute haben mich nach meiner Rückkehr gefragt, was ich für mich in Afrika gelernt hätte. Und auch wenn ich wahrscheinlich tausend Mal mehr gelernt habe als ich es bisher realisiere – bei dieser einen Sache bin ich mir sicher: Ich habe viele Monate ohne banale Dinge wie heißes Wasser, Beautyartikel oder Elektrizität gelebt, auch ohne meine Familie, Freunde und andere Menschen, die mir wichtig sind. Erst jetzt habe ich diese „Banalitäten“ so richtig zu schätzen gelernt und ich denke (und hoffe!), dass diese Dinge nie wieder etwas Selbstverständliches für mich sein werden.



Doch es gibt auch Fragen, auf die ich nicht so einfach antworten kann. Wie war es? Wie geht es dir? Hat es dir gefallen? Ich würde gerne sagen:“War super schön, lief alles wie am Schnürchen und im Nachhinein war es noch tausend Mal besser als ich es mir vorgestellt hatte.“ Aber so einfach ist das nicht. Diese Reise war so faszinierend, emotional, anstrengend, kompliziert, atemberaubend, ja so komplex, dass ich auch jetzt, nach mehreren Wochen, noch nicht so richtig beschreiben kann was ich denke und fühle. Natürlich war es cool - ich habe so viel gesehen und erlebt, aber Afrika ist eben nicht nur Sonnenschein und Babyelefanten. Natürlich geht es mir gut - ich lebe ja noch, aber ich kann nicht behaupten, die Zeit und all die Erfahrungen wären spurlos an mir vorbeigegangen. Natürlich hat es mir gefallen - Afrika hat mich in seinen Bann gezogen, aber es gab auch Zeiten in denen ich es fast nicht mehr ausgehalten habe und ich am liebsten alles sofort abgebrochen hätte. Wenn ich jetzt daran denke, wie ich auf der Steintreppe auf Ludwigs Farm irgendwo mitten in Namibia saß, die Sonne mir meine Haut verbrannte und ich schwitzend und heulend meinen ersten richtigen Blogpost schrieb, bekomme ich eine Gänsehaut. Damals habe ich über meinen Mutausbruch geschrieben und davon erzählt, dass ich eigentlich alles abbrechen will. Wie froh ich jetzt im Nachhinein bin, dass ich das alles durchezogen habe! Und wie stolz!! Mein Mutausbruch war das Beste, was mir bisher passiert ist, mit all seinen schönen und schlimmen Momenten. Und jedem, der auch mal einen Mutausbruch hat und Zweifel bekommt, dem würde ich raten: Mach einfach. Augen zu, nicht so viel nachdenken, und durch. Vor allem, wenn es ums Reisen geht! Denn man kommt immer als ein Anderer zurück, egal wie man die Reise angetreten hat. Ich meine nicht, dass man sich vom Aussehen oder vom Charakter her total verändert, sondern es sind die kleinen Dinge, in denen man merkt, dass man doch ein bisschen reifer, dankbarer, weiser, selbstbewusster oder was-auch-immer geworden ist.



Ich versuche meine Emotionen schon seit Wochen zu ordnen, oder irgend ein Fazit zu finden, aber wie man sieht ist das für mich im Moment noch unmölich. Zum ersten Mal, seitdem ich für meinen Blog schreibe, fällt es mir schwer, die richtigen Worte zu finden. Ich muss stundenlang über eine Formulierung nachdenken, lösche den ganzen Text wieder und beginne dann nur, um mit dem Ergebnis wieder unzufrieden zu sein. Ich bin unfähig, diesen riesen Berg bestehend aus Gedanken, Erinnerungen und Erfahrungen in Worte zu fassen. Deshalb fällt das Fazit, von dem ich gerade gesprochen habe, wahrscheinlich ziemlich unbefriedigend aus. Das Fazit, das das bisher größte Abenteuer meines Lebens und die ganzen letzten Monate beschreiben soll. Das Fazit, das daran Schuld ist, dass dieser Blogpost der letzte meines Reiseblogs sein wird. Es ist die ganze Wahrheit und mir bleibt nichts anderes übrig, als dieses Fazit zu treffen:



LIEBES AFRIKA, MIR FEHLEN DIE WORTE.




Es war mir ein Fest.


Liebe Grüße

Eure Leni



Dienstag, 9. Mai 2017

#4 Liebes Afrika

Liebes Afrika,


ich melde mich heute aus Sansibar und ich denke das wird der letzte Brief sein, den ich an dich schreibe. Wie du weißt, sind unsere gemeinsamen Tage gezählt, was mich im Moment ein bisschen traurig macht. In den letzten Wochen hast du mir noch einmal gezeigt, wie kreativ und vielfältig du bist. Ähnlich wie damals in Namibia hast du auch hier in Tansania dafür gesorgt, dass sämtliche Pläne umgeschmissen werden und Platz machen für unerwartete, neue Erfahrungen. So durfte ich zwei Wochen in Mtwara verbringen, konnte einen Tag lang auf einem Fischerboot mitfahren, habe gelernt wie man Armbändchen selbst macht und wie der typisch tansanische Gin Konyagi schmeckt. Mtwara hat mir die Lebensweise der locals gezeigt und mich kurzzeitig fast zu einer richtigen Afrikanerin gemacht: Ich habe Ugali (traditionelle Maismehlspeiße) gekocht, fast ausschließlich mit den Händen gegessen, Bao (Brettspiel mit kleinen Samen oder Steinchen) gespielt, und Kokosnusswasser direkt aus der Kokosnuss geschlürft. Es hat sich fast so an gefühlt,  als wolltest du mir gegen Ende meiner Reise nochmal unbedingt ganz genau zeigen, was Afrika bedeutet. Oder wie sich Afrika anfühlt. Oder schmeckt. 



Nach Mtwara habe ich den dicken Kontinent zum ersten Mal seit einem halben Jahr verlassen und bin mit der Fähre nach Sansibar übergesetzt. Und als wäre ich wirklich auf einem anderen Kontinent und nicht nur auf einer kleinen Insel gelandet, fühlt sich das Leben auf Sansibar nicht mehr ganz so afrikanisch an: Es gibt Bars und Restaurants und große wunderschöne Hotelkomplexe aus Korallenstein. Es riecht überall nach Spice Coffee und Morgens um Fünf fängt der Muezzin an, seine Gebete zu singen. Die sehr islamisch geprägte Insel Sansibar ist nicht wirklich europäisch aber auch nicht sehr afrikanisch und bietet somit für mich die perfekte Plattform um mich von der einen Kultur wieder langsam an die andere Kultur zu gewöhnen,  ohne dass der Kulturschock allzu groß wird. Die Insel ist genau so, wie man es sich vorstellt: Die schönsten Strände der Welt reihen sich hier ohne Ausnahme aneinander und das einzige, das mich vom täglichen Baden im Meer abhält ist der unablässige Regen. Denn genau in den zwei Wochen, in denen ich auf Sansibar lebe ist natürlich Hauptregenzeit. War ja klar. 


Aber auch das, liebes Afrika, macht mir nicht so viel aus.  Ich bin so dankbar,  dass du dich mir so intensiv zeigst. Und auch, wenn ich das Gefühl habe, dass mein innerer Speicher langsam voll ist und ich einfach nicht mehr so viel Input aufnehmen kann, versuche ich zu genießen und all die Eindrücke trotzdem abzuspeichern.  Denn jetzt ist es wirklich nicht mehr lange bis ich mich vorerst von dir verabschieden muss. 


„I know now that is what you are, Africa: Happiness, contentment and fulfilment. And a small bird singing on a mango tree“ - John Wyllie. 


Danke, dass du mir das beigebracht hast.

In Liebe, 
deine Leni








Freitag, 14. April 2017

Veränderungen 2.0

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll zu erzählen… 

ICH WERDE BALD ZU HAUSE SEIN, EINEN MONAT FRÜHER ALS GEPLANT!!!!!! 

Hm… nein das ist irgendwie zu viel für den Anfang, diese Information soll ja schließlich der Hauptgrund für diesen Blogbeitrag sein. Ich sollte nicht gleich sofort mit der Türe ins Haus fallen. Wie wär es mit…

ICH DARF AUF DER INSEL SANSIBAR LEBEN!!!! 

Nein das ist schon wieder viel zu aufdringlich für den Anfang eines Blogposts! Vielleicht sollte ich erst einmal den ursprünglichen Plan beschreiben: Also geplant war, dass ich vier Monate auf einer Pferdefarm in Tansania arbeite, und dann Mitte Juni zurück nach Deutschland fliege. Arrangiert wurde das alles von einer Organisation, die Jugendliche an verschiedene Arbeitsstellen und Wohltätigkeitsorganisationen in mehreren afrikanischen Ländern vermittelt. Jetzt, tausend Stresssituationen und einige Wochen später sind für mich zwei Dinge klar geworden: 


1. Da es große Schwierigkeiten mit meiner Aufenthaltsgenehmigung gab und ich offiziell nur bis Mitte Mai in Tansania bleiben darf, und auch weil ich ehrlich gesagt langsam die Schnauze voll habe vom vielen Herumreisen, werde ich am 12.Mai nach Hause fliegen.


 2. Ich werde „meine“ Pferdefarm nach zwei Monaten verlassen und den restlichen April in Mtwara, einer kleinen Hafenstadt im Südosten Tansanias, verbringen. Anfang Mai geht es für mich dann auf die Trauminsel Sansibar, auf der ich die letzten Tage meiner Afrikareise hoffentlich ausgiebig genießen kann.  


Diese ganzen Planänderungen sind nicht ganz freiwillig entstanden. Trotzdem möchte ich jetzt nicht lang und breit erzählen was genau alles schief gegangen und passiert ist, das ist im Grunde genommen auch gar nicht so wichtig. Mir persönlich ist es jedoch sehr wichtig, dass ich meine Auslandszeit positiv beenden kann und dass ich im Nachhinein zufrieden auf die letzten Monate blicken kann. Und so, wie es jetzt aussieht, kann ich glaube ich sehr zuversichtlich sein. Mit einem Lächeln im Gesicht denke ich an den ersten  Blogpost namens „Veränderungen“, der vor ca. vier Monaten entstanden ist. Damals war ich ziemlich schockiert darüber, dass alle meine Pläne über den Haufen geworfen wurden, dass ich nicht die ganze Zeit in Namibia bei Ludwig bleiben kann, sondern zu irgendwelchen „Kirchners“ gehen muss. Hätte ich damals schon gewusst, was für eine tolle Zeit mich mit und bei diesen „Kirchners“ erwartet, wäre ich nur halb so nervös gewesen.

Und genau so versuche ich nun auch zu denken: Sei offen für das was kommt, lass dich einfach überraschen. Es wird schon alles gut laufen.


Ich hoffe ich kann mich bald wieder melden und dann erzählen, wie meine „Planänderung“ so läuft! 


Liebe Grüße und bis bald! 

Eure Leni 


Sonntag, 26. März 2017

Tansania: Vorstellung vs. Realität

Anfang Dezember postete ich den ersten Teil dieses „Vorstellung vs. Realität“- Formats. Wow. Anfang Dezember, das ist schon ganz schön lange her. So viel ist seitdem passiert! Ich habe schöne und schlimme Erfahrungen gemacht, hab gelacht und geweint, habe 5 verschiedene Länder bereist, Menschen kennen gelernt, einfach so viel erlebt. Selbst hier in Tansania ist schon wieder fast die Hälfte der Zeit um. Die Zeit fliegt, und doch kommt der Tag meiner Heimreise irgendwie nur sehr schleppend näher. Wie damals in Namibia, möchte ich auch heute eine kleine Bilanz ziehen, und meine Vorstellungen mit der Realität vergleichen. 

Vorstellung 1: Ich werde ganz in der Nähe der Hauptstadt Daressalam leben. Das wird super, da kann ich mich jedes Wochenende mit anderen Praktikanten treffen, essen gehen, ausgiebig shoppen und die moderne Stadt erkunden.


Realität 1: Ich bin davon ausgegangen, Daressalam wäre eine richtige Großstadt, so wie Windhuk oder Johannesburg. Ja, Daressalam ist groß und nebenbei auch die am schnellsten wachsende Stadt in ganz Afrika. Aber irgendwelche westlichen Einflüsse wie Hochhäuser oder Fußgängerzonen oder selbst normale Supermärkte findet man erst, wenn man sich stundenlang auf überfüllten Lehmstraßen durch die Slums wühlt. Ich würde sagen, diese Stadt besteht zu 99% aus Slums. Vielleicht stimmt das nicht ganz und vielleicht hat Daressalam auch eine westliche Seite, die habe ich aber bis jetzt in 6 Wochen Aufenthalt noch kein einziges Mal gesehen. Keiner spricht Englisch, Hauptfortbewegungsmittel ist das Bajaji  (motorisiertes Dreirad), auf der Straße sieht man Millionen Menschen,  die über der Feuerstelle kochen, Hühner schlachten, schimmeligen Fisch verkaufen, ihre Kinder verprügeln, Bananen und Ananas verkaufen, tanzen und singen, alles auf einmal. Es ist laut, heiß, stickig, es riecht nach Wassermelone und Urin, man sieht Frauen in wunderschönen Kleidern und kranke Verkrüppelte am Boden kriechen. Ich dachte ja eigentlich, ich wäre mittlerweile schon einiges gewöhnt, aber die erste Fahrt durch Daressalam war einfach zu viel für mich. Und so konnte ich mich auch ganz schnell von meinen Träumen von wegen essen gehen, shoppen etc. verabschieden. Daressalam ist viiiiel zu afrikanisch, um irgendwelchen europäischen Vorstellungen zu entsprechen.

 
Vorstellung 2: Oh je, von Februar bis Mai ist Regenzeit in Tansania. Das ist schade, lässt sich aber nicht ändern. 


Realität 2: ZUM GLÜCK IST REGENZEIT!!!! Ich weiß nicht, wie die Menschen es hier aushalten, wenn es nicht ab und zu regnet. Regen gehört für mich neben Schokolade und Getränken mit Kohlensäure zum absoluten Luxus. Im Moment ist noch eher Anfang der Regenzeit und alle warnen mich schon immer vor, dass ich den Regen bald nicht mehr sehen kann, wenn die Regenzeit richtig loslegt, und alles unter Wasser setzt. Aber das ist mir egal. Es gibt nichts schöneres, als bei Regen im warmen Indischen Ozean zu schwimmen! Give me more rain!!!! 


Wunderschöne Regenwolken

Vorstellung 3: Die Pferde sind bestimmt alle super geeignet für Amateur-Reiter wie mich. Wenn sogar wildfremde Touristen, die in ihrem Leben noch nie auf einem Pferd saßen, am Strand entlang reiten können, werde ich das doch locker schaffen! 


Realität 3: Ha. Ha. Sagt Leni, die gerade zum vierten  Mal von ihrem Pferd unsanft aus dem Sattel befördert wurde.

Nein, ganz so schlimm ist es natürlich nicht. Aber zu glauben,  alle Pferde wären hier zahm wie die Lämmer, war unglaublich naiv von mir. Vor allem, weil sich meine Chefin in den Kopf gesetzt hat, ich sollte genau die Pferde trainieren, auf die man keine Kunden setzen kann. Und damit meint sie zum Beispiel „Mpenzi“ (das ist Swahili für: Liebling, Charmeur), einen dreijährigen Vollbluthengst, der noch nie richtig trainiert wurde. Ja Mpenzi, wirklich sehr charmant von dir, dass du mich vor allen anderen lächerlich machst, weil du dich stur wie ein Esel seit einer halben Stunde nicht mehr von der Stelle bewegst! Ich müsste dann langsam mal auf Toilette!! 


Vorstellung 4: Ich habe mich damit abgefunden, keinen intensiven Kontakt mit den Arbeitern zu haben. Das war ja bisher in Namibia auch überall so. 


Realität 4: Zum Glück falsch! Endlich habe ich mal die Chance, richtige „locals“ kennen zu lernen! Die Tansanier sind unglaublich offen und freuen sich über jeden, der den Kontakt zu ihnen sucht. Durch die Zusammenarbeit im Stall und bei den Pferden verbringe ich sogar mehr Zeit mit den Arbeitern als mit den Farmern und darüber bin ich so froh! Es ist egal, dass wir nicht die gleiche Sprache sprechen,  dass unsere Hautfarbe verschieden ist, dass wir aus völlig unterschiedlichen Kulturen stammen (die Meisten sind hier übrigens Muslime, es gibt aber auch noch viele traditionell lebende Familien wie z.B. Massai). Wir lachen uns trotzdem gegenseitig aus, wenn jemand in Pferdeäpfel tritt, helfen uns trotzdem gegenseitig beim Aufsteigen aufs Pferd, regen uns trotzdem manchmal über die cholerischen Anfälle unserer Chefs auf. Die locals haben mich zu sich nach Hause und zum Essen eingeladen,  haben mir gezeigt wie man den traditionellen Maisbrei und  Bohnen mit den Händen isst (was wirklich gar nicht so einfach ist!), haben ganz stolz ihre selbstgemachte gesäuerte Milch mit mir geteilt (die wirklich widerlich war, aber egal: Becher austrinken, versuchen, das Gesicht nicht zu verziehen, versuchen, rüberzubringen, dass das totaaaaaal lecker war). Ohne die locals wäre meine Zeit hier nur halb so schön. Es ist so einfach, sich von ihrer afrikanischen Lebensfreude anstecken zu lassen.



Ich habe jetzt lange überlegt, was ich als Abschlussworte für diesen Post schreiben könnte. Aber die wichtigsten Worte, die meine Realität hier in Tansania beschreiben, habe ich gerade eben schon mal formuliert: Ohne die locals wäre mein Aufenthalt nur halb so schön. Es ist so einfach und es tut so gut, sich von ihrer afrikanischen Lebensfreude anstecken zu lassen!

Ganz liebe Grüße und bis zum nächsten Mal,


Eure Leni 

Mittwoch, 8. März 2017

Halbzeitgefühle


Ich melde mich zurück aus Tansania! Ich habe wohl eine Weile gebraucht, um die ganzen Eindrücke und Gefühle an diesem neuen Ort in Worte fassen zu können, und kann jetzt hoffentlich einigermaßen verständlich rüberbringen, wie es mir geht. 
Also zuerst einmal: Ich lebe in einem Paradies, ungefähr 30 km außerhalb der Hauptstadt Daressalam! Es ist wirklich so, wie man es aus dem Reisekatalog kennt. Jeden Tag Sonne, jeden Tag Temperaturen zwischen 30°C und 35°C, weißer Sandstrand, Palmen, an denen Kokosnüsse hängen, kleine Fischerboote aus Holz, die beim Sonnenaufgang aufs Meer hinaus fahren. Äffchen, die einen rund um die Uhr neugierig beobachten, rote Krebse die schnell weg rennen, wenn man in ihre Nähe kommt, mit einem Pferd durchs warme Wasser galoppieren. Ich dachte bisher, solche Orte existieren nur im Film und ich bin unendlich glücklich, dass ich so etwas mit meinen eigenen Augen genießen darf. 
Aber es gibt einen kleinen Unterschied zwischen „im Paradies leben“ und „sich so fühlen, als ob man im Paradies lebt“. Was ich damit sagen will, ist, dass ich pünktlich zur Halbzeit (sogar schon ein bisschen mehr als Halbzeit!) eine kleine Krise schiebe. Was bringt mir das Meer, wenn ich dort alleine baden muss? Was bringt mir der Sandstrand, wenn ich dort mit niemandem liegen kann? Was bringen mir frische Kokosnüsse, Bananen und Ananas, wenn keiner da ist mit dem ich um das letzte Stück streiten kann? Ich bin einsam. Ich habe keine Lust mehr auf Sonne und Hitze, auf Moskitos, auf neue Menschen und neue Erfahrungen. Ich möchte endlich mal wieder frieren, möchte eine Decke über meinen Kopf legen und dann ganz lange nichts sehen, nichts hören. DAS wäre gerade mein richtiges Paradies. Und vor allem möchte ich wieder jemanden bei mir haben, den ich schon lange kenne und dem ich vertrauen kann. Die Familie, bei der ich hier in Tansania lebe ist ganz nett, aber es ist einfach unglaublich anstrengend, für so eine lange Zeit mit Fremden zu leben. Ich arbeite hier jeden Tag mit ca. 20 Pferden, kann sie füttern und putzen, natürlich ganz viel Reiten und mich ab und zu um Gäste kümmern, die einen Ausritt am Strand oder durch den Busch gebucht haben. Die Arbeit macht mir zwar sehr Spaß, ist aber bei dieser Hitze auch unglaublich anstrengend. Und wie gesagt, es ist wirklich sehr nervenaufreibend, rund um die Uhr völlig alleine unter fremden Menschen zu leben. Das war zwar in Namibia anfangs auch so, aber da habe ich zum Glück mit der Zeit Menschen kennen gelernt, zu denen ich eine persönliche Bindung aufgebaut habe. Ich bin zwar erst knapp zwei Wochen hier und weiß ja nicht, wie sich das alles noch in den nächsten Monaten entwickeln wird, aber im Moment ist mein Leben sehr eintönig und einsam. Jeden Tag um 6 aufstehen, alleine eine Tasse Kaffee trinken. Alleine die Pferde füttern, Wunden säubern, putzen. Alleine Bananen essen. Alleine ausreiten. Wenn ich Glück habe, kommt einer der Arbeiter mit, aber die können alle nur wenig Englisch sondern nur Swahili. Abends wieder die Pferde versorgen und dann mit Menschen an einem Tisch sitzen, die ich nicht kenne und die mich nicht kennen, und auch nicht so richtig an mir interessiert sind, weil ich ja nur Praktikantin Nummer 215 bin. 
Viele sagen zu mir, ich soll mich doch nicht so anstellen und das alles genießen soll weil die Zeit hier wahrscheinlich schon schneller wieder vorbei ist als ich denke. Bitte versteht mich nicht falsch, ich möchte absolut nicht undankbar sein und ich bin mir auch sicher, dass ich mich schnell genug wieder nach Tansania sehnen werde. Aber ich bin gerade an einem Punkt an dem mich alles nervt, alles blöd finde und an dem ich keinen Bock mehr hab, zu genießen. Ich kann einfach nicht mehr genießen. Das wiederum nervt mich extrem, weil wo sollte ich jemals besser genießen können als hier? Es ist wirklich verdammt anstrengend. ICH bin verdammt anstrengend. Willkommen in meiner „Mid-Africa-Crisis“… 
Ich hoffe wirklich, dass sich das ein bisschen geändert hat, wenn ich mich das nächste Mal melden kann.
Bis dahin, liebe Grüße! 

Eure Leni